woran wir leiden
Unsere Körper haben uns gut im Griff. Sie verlangen nach Schlaf, Nahrung, Pflege und drohen ständig damit, uns im Stich zu lassen. Was wir ihnen verweigern, zahlen sie uns umgehend zurück. Sie setzen uns Grenzen, gegen die wir machtlos sind. Sie sind die Grundlage all unserer Sinne, und unsere Seelen sind trotz allem an ihre Körper gefesselt. So sehr wir unsere Körper hassen oder lieben mögen - fremde Körper wecken Verlangen in uns.


LIEBESBRIEF

Dein Blick/ trägt.// Du bist mein Wort/ Meine Stimme./ Bist die Seele der Zeit.// Du bist das Meer/ Und das Segel.// Dein Kuß/ erregt.


Begehren - das grünere Gras

   Selten das Selbstverständliche. Das Ferne, das Unerreichbare, das, wovon man träumt. Ein Schein, doch man wünscht sich nichts sehnlicher, ihn zu zerstören. Der zarte Geschmack des Ungewissen. Die Hülle, die ideale Fläche. Begehren ist das grünere Gras, Atemhauch nachts, begehrliche, nicht eindeutige Blicke. Ungewißheit. Ahnungsvoll. Was man im Arm hält, ist dieser Wahnsinn nicht. Wäßrige Enttäuschung, beißender Schmerz, wenn es einmal ist und unvergleichlich.

   Begierde. Verlangen. So wenig greifbar und so mächtig. Unbedingt: in die Gedanken, in die Adern, kreist Tag um Tag, nährt sich aus Vorstellungen. Erinnerungen an den fremden Körper, ein Geruch, ein Blick. Ein Abbild, das perfekt ist, so perfekt, daß es die Vernunft betrügt. Was man im Arm hält, ist nicht perfekt. Man hat es erforscht. Begehren ist blind und unwissend. Menschen folgen einander mit Blicken, und es ist so süß, sie erliegen. Menschen lassen sich tragen von Schein und Wunsch, auf den Moment hin, da alles perfekt ist. Ich schließe die Augen: du bist alles, ich muß dich nie ertragen. Du bist alles, was nie sein kann. Du bist alles in diesem Augenblick, und danach kann es keine Wirklichkeit mehr geben. Suche nach dem, was man erfahren hat. Menschen suchen, ohne zu bekommen. Begierde - das grünere Gras.

   Nimm diesen Alptraum aus meinen Venen, laß mich das sein, was es nicht geben kann. Das, was darunter liegt und den Tag ausmacht. Das, was ich täglich bin. Alles, was ich sein kann. Das, was leer bleibt. Kopf, laß mich nicht fliehen, bleib bei mir. Begehren ist der Zuckerstreifen, der Tod der Fliege. ¶

[is][body][fear][disgrace]
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